Der Koordinierungskreis des Zukunftsrat Hamburg hat heute eine Pressemitteilung veröffentlicht:

Hamburg, 21.09.2022

Solar- und Windenergie decken lediglich 1,8 % des globalen Endenergiebedarfs.

Der Zukunftsrat Hamburg sieht jedes weitere Zaudern als Schritt in den Zivilisationsverlust und fordert eine sofortige gesamtgesellschaftliche Transformation.

Bürger:innen und Journalist:innen werden täglich mit neuen, teils widersprüchlichen Fakten, Zahlen und Planungen zur Abmilderung der Klimakrise konfrontiert: Null-Emissionen bis 2050, 2045, 2035 oder doch bis 2028?
Der Zukunftsrat Hamburg verweist hierzu auf eine einzige Zahl:

Der Anteil von Wind- und Solarenergie am globalen Endenergie-Bedarf beträgt heute lediglich 1,8 % .

Dazu der Physiker Dr. Wolfgang Lührsen: „Solar und Wind sind die einzigen skalierbaren, d. h. in größerem Umfang ausbaubaren Erneuerbaren Energieformen – auf sie müssen wir setzen. Und aktuell sind wir grotesk weit vom Ziel entfernt, die Menschheit mit zukunftsfähiger Energie zu versorgen.“

1,8 % bedeutet, dass die Weltgemeinschaft all ihre Kraft, ihr gesamtes Know-how und alle (fossile) Energie in den globalen Ausbau von Wind und Solar stecken muss – wenn sie die Zivilisation bewahren will: 1,8 % bedeutet, dass es kein CO2-Budget mehr gibt. 1,8 % bedeutet, dass wir künftig mit weniger Energie auszukommen haben. 1,8 % bedeutet, dass die Menschheit kein – wie klein auch immer geartetes – Zeitfenster mehr hat. 1,8 % bedeutet, dass ökonomische Steigerungslogiken (‚Wachstum‘) unmöglich sind, da mehr materieller Konsum mehr Energie benötigt – Energie, die nicht vorhanden ist. 1,8 % bedeutet, dass jedes ‚Weiter so‘ die planetaren Belastungsgrenzen unwiderruflich sprengen wird.

„Diese Zahl ist ungemütlich, weil sie zeigt, dass das Leben, so wie es die meisten hier in Deutsch-land bislang kannten, unwiderruflich zu Ende ist – sofern wir die Zivilisation erhalten wollen. Und das wollen wir“, so der Zukunftsaktivist Dr. Marc Pendzich. „Die Zahl ist aber auch perfekt, weil sie Klarheit schafft, Diskussionen abkürzt und jegliche Zweifel am politischen Handlungserfordernis beseitigt. Der neueste SUV, die nächste Flugreise oder Kreuzfahrt, Fast-Fashion – alles abwegig. Wir brauchen jetzt, sofort und heute! eine gesamtgesellschaftliche Transformation. Und hier stehen unsere Politiker:innen massiv in der Verantwortung Klimakrise und Massenaussterben durch entschlossenes und konsequentes Handeln entscheidend abzumildern – um auf diese Weise die Bürger:innen vor dem bei einem ‚Weiter so‘ absehbaren Zivilisationsverlust zu schützen.“

Eine gesamtgesellschaftliche Transformation stellt das Leben auf den Kopf – aber immerhin, sie bedeutet Leben. Die Alternative ist unvorstellbar, sie steht für milliardenfaches Leid, Tod und Chaos inmitten von Klimakatastrophe und Massenaussterben. Ein ‚Weiter so‘ steht für den absehbaren Verlust unserer Zivilisation. Dies hat der Hamburger Zukunftsrat bereits in seinem 2020er Hamburger Zukunftsmanifest hervorgehoben. Darauf basierend schlägt der Zukunftsrat Hamburg für eine solche Transformation folgende Grundmaxime vor:

„Wir leben in einer begrenzten Welt, in der wir nur verteilen können, was wir haben.“

„Zentral ist daher die Verteilungsfrage“, erklärt Wolfgang Lührsen. „Zunächst sind die Grundbe-dürfnisse der Menschen zu stillen im Sinne einer angstfreien Daseinsvorsorge. Und dann schauen wir mal, was noch geht. Die gute Nachricht lautet: Alles, was CO2-frei ist, ist in der Regel weiterhin möglich.“

„Eigentlich haben wir gar kein ‚Klimaproblem‘, sondern in allererster Linie eine gesellschaftliches Problem“, ergänzt Marc Pendzich. „Wir brauchen eine politisch ermöglichte ‚Kultur des Genug‘ – und so ein Leben könnte ziemlich angenehm und entspannt sein.“

In der Konsequenz braucht es viel mehr gesellschaftlichen Druck auf die Politik. Der Zukunftsrat Hamburg ruft alle Bürger:innen und Journalist:innen auf, das Anliegen der Initiator:innen des globalen Klimastreiks am Freitag, den 23. September in vielschichtiger Weise massiv zu unterstützen – und darüber hinaus persönlich hinzugehen.

    1. Public (visible without login)
    1. 7 Comment
  • Kornelia Völker

    Es ist gefällt mir, dass Du hier rüberbringst, dass es nicht um technische Lösungen bei der Behebung eines C02-Problems geht, sondern darum, dass jeder Einzelne von uns bewusst und auch anders lebt: Möglichst wenig mit dem Auto oder dem Flugzeug reisen, anders einkaufen, das vermeintliche Glück nicht im regelmäßigen online-Shoppen, Pakete bestellen oder im regelmäßigen Kauf von neuen Handys oder I-Pads suchen, sich in lokalen BürgerInnenbündnissen lokalpolitisch einbringen. - Ja, es muss doch endlich mal ausgesprochen und von uns auch akzeptiert werden, es geht darum, dass wir "unseren Gürtel" insgesamt enger schnallen, wobei insbesondere die gefordert sind, die da über mehr oder sehr viel mehr als die durchschnittliche Bevölkerung besitzen und konsumieren können.

  • Marc Pendzich

    Hallo Kornelia, Danke für Dein Feedback, über das ich mich freue. Ja, der Konsum muss runter - allerdings sehe ich hier den großen Hebel weniger im individuellen freiwilligen Unterlassen (was gut ist!), sondern in einer gesamtgesellschaftlichen Transformation, die eine politische 'Kultur des Genug' etabliert, sodass entlang gesetzlicher Leitplanken und einem anderen Wertekatalog ein allgemeines W e n i g e r gelebt wird. Unsere Zahl "1,8 %" liefert hierzu eine relativ leicht verständliche Argumentationsgrundlage: Unabhängig vom Putin-Krieg wird es absehbar - weil wir ein massiven globalen Rückstau beim Umbau des Energiesektors haben - nicht mehr genug Energie geben, um die bisherige Lebensweise fortführen zu können. Und jetzt kommt der wichtige Nachsatz: W e n n wir unsere Lebensgrundlagen und damit die Zivilisation bewahren möchten. Ich möchte.

  • Umweltbeauftragter

    Hallo Marc. Bei allem WENIGER (richtig!) brauchen wir mehr Transformation von Sonnenenergie und Windkraft. Wir brauchen eine bessere Albedo und bessere Kreisläufe, preiswerte Wärmepumpen, keine Pellets, Lüftungsanlagen, Wärmedämmung usw. Der Druck auf die Politik löst die Probleme derzeit nicht, weil die Politiker noch kaum verstanden haben, wie man Umwelt-Probleme löst. Ich versuche auf https://dugv.org deutlich zu machen, dass wir auf allen Fach- und Sachgebieten tätig werden müssen und dass der Umweltschutz organisatorisch falsch platziert ist. Wenn wir mit Druck die Unzufriedenheit ohne Lösungsvorschläge erhöhen, kann es ziemlich ungemütlich werden. Wir brauchen den Umweltschutz in Stabsfunktion, so wie es Umweltschutznormen vorschlagen. EMAS bzw. EN ISO 14001:2018 zeigen auf, wie der Umweltschutz agieren sollte. Das Umweltministerium muss eine andere Position einnehmen, quasi beratend für alle anderen Ministerien. Die Entscheidungsverantwortung liegt dann im Kanzleramt. Der Umweltschutz muss in alle Ministerien hineinwirken. Wieviel Umweltschutz gemacht werden muss, hat z.B. kein Verkehrsministerium zu entscheiden, sondern die Leitung - Kanzler bzw. Kanzleramt. Insgesamt müssen erst noch wirksame Umweltschutzorganisationen aufgebaut werden. Auch die Ressourcen sind einzuteilen, damit sich alle auf verringerte fossile Mengen einstellen können. Usw. Das Organisationsversagen im Umweltschutz der Regierung ist für mich offensichtlich!

  • Marc Pendzich

    Moin, sehe ich selbstredend genauso - deshalb ja unsere Zahl "1,8%" als massiver Hinweis, dass wir alle Kraft (tja: und alle Energie) in den Aufbau der Erneuerbaren legen müssen. Und in die gesamtgesellschaftliche Transformation, denn zurzeit ist alles auf Steigerungslogiken ausgerichtet, die ins Aus führen. Danke für Dein Feedback!

  • JH

    ...naja klar müssen wir weiter die systemische Frage stellen, was aber eben auch anders geschehen könnte, als appellativ andere in Verantwortung jedens Entscheidungen zu bedrängen 🤔😉

    Ich meine die Art zu fordern und der Adressat muss/könnte sich ändern; wie zB ein Aufruf besser jedens anspricht: Politik, Unternehmen, Instituttionen, NGOs und jeden einzelnen Menschen als selbstwirkmächtigen Bürger, sowie als Verantwortlicche in all den tgl. Entscheidungs-POS.!

    Ihr habt denke ich schon eine Vorstellung von dem, was ich meine...

    ...`denn der reine Technologieglaube der Systemischen Ebene wird keine anders-funktionalen Lösungen hervorbringen, ohne die es aber nicht zukunftsfähig sein wird.´

    "SEID TEIL EINER ÖKOLOGISCHEN ZUKUNFT"

  • Umweltbeauftragter

    Liegt die Verantwortung bei den UN und bei den Regierungen, Staaten, Ländern, Kommunen, Unternehmen, Familien? Also, wie sollte der Umweltschutz dort organisiert sein? Jeder macht was sie/er glaubt was für uns Alle wünschenswert wäre? Oder doch besser nach Umweltprüfung das Notwendige? Der Arbeitsschutz funktioniert nach diesem Prinzip. Warum sollte der Umweltschutz scheitern, wenn er ebenfalls funktionsfähig in Stabsfunktion an der richtigen Stelle installiert wird?

  • Umweltbeauftragter

    Zum Verständnis: Es ist logisch, dass ein gleichberechtigtes Umweltministerium neben anderen gleichberechtigten Ministerien kein Durchsetzungsvermögen besitzt. In mit Umweltmanagementsystem ausgestatteten Organisationen befindet sich die Position des Umweltschutzes in Stabsfunktion mit Sonderrechten direkt unter der Leitung. Der Umweltschutz ist so allen anderen Abteilungen beratend übergeordnet. Der Umweltschutz wird zur "Chefsache"! Mit Vortragsrecht und Berichtspflicht des Umweltbeauftragten wird jedes Jahr die Umweltleistung (oder Fehlleistung) bilanziert und veröffentlicht. Es wird deutlich, welche Ziele erreicht und welche Ziele verfehlt werden, und welche Ziele im folgenden Jahr erreicht werden müssen. Aus - auf Fehler reagieren wird präventives regieren. Der Umweltschutz wird Regierungsziel wie der Arbeitsschutz. Und alle Abteilungen haben sich nach den Umweltzielen zu richten. Es muss also immer etwas dafür getan werden, dass die Umweltleistung jedes Jahr besser ausfällt als im Vorjahr. Andernfalls berichtet der Umweltbeauftragte jährlich von schlechten Leistungen beim Verbrauch von Ressourcen, die dann im nächsten Jahr noch stärker begrenzt werden (müssen).