CDU stigmatisiert Soziale Medien als "Plattform des Hasses und der Desinformation"

Soziale Medien sind in den Chefetagen der CDU noch nicht angekommen. Und wenn doch, dann in einer ziemlich bizarren Ausprägung.

Das im Kommentar "Warum Volker Bouffier im digitalen Neuland herumirrt" https://diaspora.zone/posts/94993 erwähnte Fettnäpfchen des hessischen Ministerpräsidenten ist charakteristisch für die Positionierung der CDU gegenüber den neuen Medien. Die CDU-Parteistrategen haben am Beispiel der Präsidentenwahl in den USA auf schmerzliche Art und Weise erfahren müssen, dass die Social Media zu Trumps Überraschungssieg wesentlich beigetragen haben. Die s.g. Social Bots sollen dabei auch eine Rolle gespielt haben. Jetzt, da die AfD ankündigt, "im anstehenden Bundestagswahlkampf auf automatisierte Einträge auf Twitter, Facebook und Co setzen zu wollen", ist die CDU-Spitze merklich aufgeschreckt.

In einem Interview der Neuen Osnabrücker Zeitung machte der CDU-Fraktionschef Volker Kauder die Ansage "In den nächsten Monaten müssen wir uns darum kümmern, dass die sozialen Medien nicht noch mehr zu Plattformen des Hasses und der Desinformation werden. Gelingt das nicht, wird der Wahlkampf noch wirklich schmutzig werden." http://www.noz.de/deutschland-welt/politik/artikel/809297/volker-kauder-warnt-vor-schmutzigem-wahlkampf. Wenige Tage später schlägt hessischer Ministerpräsident Volker Bouffier in einem Deutschlandfunk-Interview in die gleiche Kerbe: "Wir dürfen uns auch nicht von den Sozialen Netzwerken einlullen lassen, in dem Roboter mittlerweile fast 30, 40 Prozent der Meldungen machen." http://www.deutschlandfunk.de/volker-bouffier-zur-bundestagswahl-die-union-muss-aufs.868.de.html?dram:article_id=372451

Auffallend ist, dass beide Parteifunktionäre alle Sozialen Netzwerke über einen Kamm scheren. Und dass in beiden Interviews die Journalisten nicht auf die Idee kamen, diese pauschalisierte Stigmatisierung von Sozialen Medien als Schmuddelkinder der Gesellschaft bei dem Interviewpartner zu hinterfragen. Die pauschale Verteufelung von Sozialen Netzwerken hat in der CDU Tradition. O-Ton Günther Öttinger in einer Diskussionsrunde im März 2015: "Was die Netzneutralität betrifft, da haben wir gerade in Deutschland Taliban-artige Entwicklungen. Da ist die Netzgemeinde, da sind die Piraten unterwegs, da gehts um perfekte Gleichmacherei." https://netzpolitik.org/2015/guenther-oettinger-netzneutralitaet-toetet-befuerworter-sind-taliban-artig/

Das dürfen die Akteure der Zivilgesellschaft, Initiativen und Bewegungen, für deren Arbeit Soziale Netzwerke unverzichtbar sind, so nicht hinnehmen. Es kommt nicht auf die Plattform, nicht auf den Kommunikationsweg - Print, Rundfunk, Fernsehen oder Soziale Netzwerke - sondern ausschließlich auf die Inhalte und auf die Form der Kommunikation an. Darüber müssen sich die Medienstrategen in der CDU Gedanken machen und zeitgemäße Kommunikationskanäle ausbauen - auch in Sozialen Netzwerken. Oder eben abhängen. 

Quellen
[1] Chatbots, Roboterjournalisten und Co: Wie moderne Technologien im US-Wahlkampf mitmischen, 07.11.2016 -  http://www.horizont.net/tech/nachrichten/Chatbots-Roboterjournalisten-und-Co-Wie-moderne-Technologien-im-US-Wahlkampf-mitmischen-143912
[2] Unions-Fraktionschef in Sorge: Volker Kauder warnt vor „schmutzigem Wahlkampf", 22.11.2016 -  http://www.noz.de/deutschland-welt/politik/artikel/809297/volker-kauder-warnt-vor-schmutzigem-wahlkampf
[3] Volker Bouffier zur Bundestagswahl: "Die Union muss aufs Engste zusammenbleiben", 27.11.2016 - http://www.deutschlandfunk.de/volker-bouffier-zur-bundestagswahl-die-union-muss-aufs.868.de.html?dram:article_id=372451
[4] Aus den Feuilletons: Chatbots mischen im US-Wahlkampf mit, 29.08.2016 -  http://www.deutschlandradiokultur.de/aus-den-feuilletons-chatbots-mischen-im-us-wahlkampf-mit.1059.de.html?dram:article_id=364435 
[5] Kommentar: Warum Volker Bouffier im digitalen Neuland herumirrt, 30.11.2016 - https://diaspora.zone/posts/94993
[6] Günther Oettinger: Netzneutralität tötet, Befürworter sind Taliban-artig, 06.03.2015 - https://netzpolitik.org/2015/guenther-oettinger-netzneutralitaet-toetet-befuerworter-sind-taliban-artig/


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